Versicherungen

Berufsunfähigkeitsversicherung – was du wissen musst

27. Juni 2025

Lesedauer: 7 Min

Junge Frau im Rollstuhl steht auf einem Steg vor einem See

Wenn du aus gesundheitlichen Gründen deinen Job nicht mehr machen kannst, kippt schnell alles: Einkommen weg, Fixkosten bleiben. Genau hier greift die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) – und wenn eine BU (noch) nicht geht, gibt’s Alternativen mit engerem Schutz. Dieser Guide erklärt dir ganz einfach, was der Staat wirklich zahlt, wann und wie die BU leistet, welche Fehler du vermeiden solltest, was sie kostet und welche Alternativen sinnvoll sein können.

Auf den Punkt

  • Warum BU? Dein größtes Vermögen ist dein zukünftiges Einkommen. Fällt es länger aus, entsteht eine echte Lücke – nach Krankengeld.
  • Häufige Ursachen: Meist Krankheiten (Psyche, Krebs, Bewegungsapparat), Unfälle < 10 %. BU ist also nicht nur für „Risk-Jobs“.
  • Staatliche Leistungen reichen selten: Krankengeld ist zeitlich begrenzt; Erwerbsminderungsrente hat hohe Hürden und liegt oft niedrig.
  • Was BU leistet: Rente, wenn du deinen aktuellen Beruf zu mind. 50 % für ≥ 6 Monate nicht ausüben kannst – ohne Verweis auf „irgendeinen“ anderen Job (bei guten Tarifen).
  • Haupt-Fails: Gesundheitsfragen unvollständig, Rente zu niedrig gewählt, schwache Bedingungen (z. B. Verweisung).
  • Wenn BU (noch) nicht geht: Erwerbsunfähigkeits-, Grundfähigkeits-, Dread-Disease-, Multi-Risk-, Unfallversicherung – enger als BU, aber besser als gar nichts.

Was der Staat zahlt – und warum das selten reicht

Erst kommt Lohnfortzahlung (ca. 6 Wochen volles Gehalt), dann Krankengeld (bis zu 72 Wochen: 70 % Brutto, max. 90 % Netto, abzüglich Beiträge). Danach ist Schluss – und du landest ggf. bei der Erwerbsminderungsrente.

Die bekommst du nur, wenn du in keinem Job mehr als 3 Std./Tag arbeiten kannst (volle Rente) bzw. 3–6 Std. (halbe Rente) und bestimmte Versicherungszeiten erfüllt sind. In der Realität: hohe Hürden, magerer Betrag, oft befristet. Heißt: Existenzminimum ja, Lebensstandard eher nicht.

Die BU in Klartext: Definition, Leistung, Dauer

Die BU zahlt die vereinbarte monatliche Rente, wenn du deinen zuletzt ausgeübten Beruf (so wie er tatsächlich war) zu mind. 50 % voraussichtlich mindestens 6 Monate nicht mehr machen kannst.

Gute Tarife verzichten auf die abstrakte Verweisung (also das „Sie könnten doch irgendwas anderes.“). Die Rente läuft bis Genesung oder Vertragsende (meist 67).

Wie viel absichern?

  • Grober Maßstab: ca. 80 % vom Netto
  • Unter ca. 1.000 € BU-Rente wird’s häufig schwierig, weil Grundsicherung anrechenbar sein kann
  • Ziel: Fixkosten stabil decken können

Kosten & Beitragsfaktoren: Wovon hängt der Preis ab?

Eine BU ist individuell bepreist. Der Beitrag schwankt je nach:

  • Alter beim Abschluss (früher = günstiger)
  • Beruf / Tätigkeitsmix (körperlich vs. Büro; Anteil Bildschirm/Leitung/Handwerk)
  • Gesundheitszustand (Diagnosen, BMI, Therapien)
  • Höhe der BU-Rente und Endalter (z. B. bis 67)
  • Optionen wie Beitragsdynamik (deine Rente steigt jährlich gegen Inflation) und Leistungsdynamik (Rente steigt während des Leistungsbezugs)
  • Risikozuschläge / Ausschlüsse (z. B. für bestimmte Vorerkrankungen)

Praxis-Tipp:
Rechne mit Dynamik (z. B. 2–3 % p. a.), sonst frisst die Inflation deine BU-Rente auf. Und plane Nachversicherungsgarantien ein (bei Heirat, Gehaltssprung etc. ohne neue Gesundheitsprüfung erhöhen).

Abschluss ohne Reue: So gehst du’s richtig an

Früher starten (auch Azubis/Studis), Laufzeit bis 67
Je früher du eine BU abschließt, desto günstiger sind die Beiträge und desto weniger Gesundheitsprobleme spielen eine Rolle. Viele Tarife sichern mit einer Berufsgarantie später auch den neuen Job ab. Eine Laufzeit bis 67 (statt nur bis 60 oder 63) schließt die Versorgungslücke vor der Rente.

Bedingungen, die wirklich zählen
Entscheidend ist, dass der Vertrag keinen abstrakten Verweis enthält. Wichtig sind außerdem Nachversicherungsgarantien, Beitrags- und Leistungsdynamik sowie eine Berufswechsel-Option, die dir bei einem Wechsel in einen risikoärmeren Beruf Vorteile bringt. Ebenso sollten Anerkenntnisse bei Teilzeit sauber geregelt sein und die Prognosezeit mindestens sechs Monate betragen.

Gesundheitsfragen: ehrlich & vollständig
Alle Angaben zu deiner Gesundheit müssen korrekt und vollständig sein. Fordere Patientenakten bei deiner Krankenkasse und behandelnden Ärzt:innen an und prüfe auch Verdachtsdiagnosen. Achte auf die Fristen: ambulante Behandlungen sind meist fünf Jahre anzugeben, stationäre bis zu zehn Jahre – je nach Tarif. Unvollständige Angaben können als Anzeigepflichtverletzung gewertet werden und im schlimmsten Fall zur Leistungsablehnung führen. Sicherer ist es, über eine Maklerin oder Honorarberatung anonyme Voranfragen zu stellen.

Selbstständige & Freiberufler:innen
Für Selbstständige und Freiberufler:innen ist eine präzise Tätigkeitsbeschreibung besonders wichtig: Was genau machst du und in welchem Umfang? Achte zudem auf Optionen zur Beitragsstundung im Krankheitsfall, mögliche Überbrückungsleistungen und die Definition der Berufsunfähigkeit im Tarif – gerade dann, wenn dein Job eine Mischung aus verschiedenen Tätigkeiten umfasst.

Wenn BU (noch) nicht geht: Alternativen realistisch einordnen

Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU)
Sie zahlt erst, wenn du in keinem Beruf mehr als drei Stunden pro Tag arbeiten kannst. Dadurch ist sie günstiger als eine BU, die Hürde für eine Leistung ist aber deutlich höher.

Grundfähigkeitsversicherung (GF)
Hier erhältst du eine Rente, wenn bestimmte, klar definierte Fähigkeiten verloren gehen – zum Beispiel Sehen, Greifen oder Sprechen. Der Schutz ist funktionsbezogen und nicht berufsbezogen. Es lohnt sich, die Tarifbedingungen sehr genau zu lesen.

Dread Disease („Schwere Krankheiten“)
Bei dieser Versicherung gibt es eine Einmalzahlung, wenn eine der im Vertrag aufgelisteten schweren Erkrankungen diagnostiziert wird. Dazu gehören typischerweise Krebs, Schlaganfall oder Multiple Sklerose. Abgedeckt sind aber nur die Krankheiten, die explizit genannt sind.

Multi-Risk
Eine Kombination aus Grundfähigkeitsversicherung, Dread Disease, Unfall- und Pflegeversicherung. Sie bietet einen breiteren Schutz, ist dafür aber komplexer und die Leistungen sind je nach Baustein begrenzt.

Private Unfallversicherung
Sie greift ausschließlich bei Unfallfolgen und nicht bei Krankheit. Eine Unfallversicherung kann sinnvoll sein, um einmalige Kosten wie Umbauten abzusichern. Einen Ersatz für die BU bietet sie aber nicht.

Pragmatische Kombi-Idee
Wenn eine BU zu teuer oder aktuell nicht möglich ist, kann eine Kombination aus Erwerbsunfähigkeits- und Grundfähigkeitsversicherung eine Zwischenlösung darstellen. Parallel solltest du dein Gesundheitsprofil stabilisieren und später erneut prüfen, ob eine BU abgeschlossen werden kann.

Steuern & Formalien

Beiträge zu einer selbständigen BU gelten in der Regel als Vorsorgeaufwendungen. In der Praxis bringt das oft nur wenig Steuervorteil, weil der Höchstbetrag durch Kranken- und Pflegeversicherung meist schon ausgeschöpft ist. Leistungen aus der BU (Renten) sind grundsätzlich zu versteuern – wie stark, hängt von der Vertragsgestaltung (selbstständige BU vs. BU-Zusatz, Rente vs. Einmalzahlung) und deiner persönlichen Situation ab. Bei Alternativen wie Dread-Disease können Einmalzahlungen ebenfalls steuerpflichtig sein.

Formal zählt vor allem Sauberkeit in den Unterlagen: Gesundheitsangaben vollständig und wahrheitsgemäß, Patientenakten geordnet, Änderungen (Beruf, Arbeitszeit, Einkommen) melden, Police und Bedingungen griffbereit. Im Leistungsfall: früh Kontakt aufnehmen, Tätigkeitsbeschreibung und medizinische Nachweise vollständig einreichen und Fristen beachten. Für Details zur Steuer immer kurz eine Steuerberatung hinzuziehen – das spart am Ende oft Geld und Nerven.

So läuft ein BU-Leistungsfall ab

Melde dich früh, wenn BU droht. Reiche medizinische Unterlagen und eine Tätigkeitsbeschreibung ein (was genau macht deinen Beruf aus?). Übliche Bearbeitungszeit: ein paar Monate – schneller geht es natürlich, wenn Unterlagen komplett sind. Leistungen enden bei Genesung oder konkreter Verweisung (du arbeitest real in vergleichbarer Tätigkeit). Ablehnungen sind häufig Folge von Anzeigepflichtverletzungen – also: sauberer Antrag = halbe Miete.

Beispiel: Warum eine BU auch bei einem Bürojob sinnvoll ist

Lina (31), Produktmanagerin, fällt wegen Depressionen länger aus. Lohnfortzahlung, dann Krankengeld – aber nach gut einem Jahr ist Schluss. Ihre BU greift: Diagnose + Tätigkeitsprofil zeigen, dass sie mehr als 50 % ihrer Kernaufgaben (Konzeption, Abstimmungen, Präsentationen) nicht leisten kann. Die BU-Rente trägt Miete und Fixkosten; Lina kann in Ruhe Therapie machen und später in Teilzeit neu starten. Ohne BU wäre nur die schmale Erwerbsminderungsrente drin gewesen.

Checkliste: In 9 Schritten zur passenden Absicherung

  • Einkommenslücke realistisch schätzen (Fixkosten + Puffer)
  • BU-Rente festlegen (grober Zielwert: ~80 % Netto; Dynamik einplanen)
  • Endalter bis 67 wählen (Lücke vor Rente vermeiden)
  • Gesundheitsakte besorgen, Fristen kennen (ambulant ~5 J., stationär ~10 J.)
  • Anonyme Voranfragen statt Direktantrag (Zuschläge/Ausschlüsse prüfen)
  • Top-Bedingungen: keine abstrakte Verweisung, Nachversicherung, (Leistungs-)Dynamik
  • Selbstständige: Tätigkeitsmix sauber beschreiben, Stundungs-/Überbrückungsoptionen prüfen
  • Alternativen (EU/GF/Dread Disease/Multi-Risk/Unfall) als Brücke, falls BU (noch) nicht geht
  • Jährlich prüfen (Gehalt, Familie, Jobwechsel ⇒ Rente anpassen)

Häufig gestellte Fragen

Fazit

Die BU ist für viele der wichtigste Schutz fürs Einkommen. Sie zahlt, wenn du deinen Job nicht mehr schaffst – lange bevor der Staat dich als erwerbsgemindert einstuft.

Mach’s pragmatisch: früh starten, ehrlich beantworten, gute Bedingungen wählen, Rentenhöhe realistisch ansetzen. Wenn BU (noch) nicht geht, nutze Alternativen – lückenhaft ist besser als gar nicht. Hauptsache: aktiv absichern, nicht hoffen.

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